Mit der Vorstellung des Koalitionsvertrags am 9. April 2025 rückt (endlich) ein Thema ins Zentrum der politischen Agenda, welches lange Zeit unterschätzt wurde: die digitale Souveränität Deutschlands.
Die künftige Bundesregierung bekennt sich deutlich zum Einsatz von Open Source und zum Aufbau eines souveränen digitalen Ökosystems. Unter dem Titel „Deutschland – Digital. Souverän. Ambitioniert.“ formuliert der Koalitionsvertrag einen klaren Anspruch – doch entscheidend ist nicht, was dort festgehalten wurde, sondern was daraus gemacht wird und welche Maßnahmen folgen. Die Implementierung im Koalitionsvertrag ist ein wichtiger Schritt – aber noch lange kein Fortschritt.
Wer hat die Kontrolle über unsere Infrastrukturen, Daten und Technologien? Mit dieser „einfachen“ Frage beginnt das Thema der digitalen Souveränität. Open Source bietet darauf eine überzeugende Antwort: Offen zugänglicher Quellcode schafft Transparenz, ermöglicht unabhängige Prüfungen und erlaubt die souveräne Nutzung und Weiterentwicklung.
Open Source ist daher kein technisches Detail, sondern ein strategisches Fundament für eine digitale Infrastruktur, die demokratische Werte, Rechtssicherheit und Innovationsfreiheit garantiert.
Der US CLOUD Act verdeutlicht die Dringlichkeit, denn dieser erlaubt amerikanischen Behörden den Zugriff auf Daten, die von US-Unternehmen verarbeitet werden – selbst wenn sie physisch in Europa gespeichert sind. Diese gesetzlich verankerte Möglichkeit zum exterritorialen Datenzugriff stellt europäische Datenschutzstandards infrage und macht deutlich, wie groß die strukturelle Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern ist.
Wer Souveränität wirklich will, muss sie auch technisch ermöglichen – an diesem Punkt beginnt der Wandel.
Es braucht mehr als den Wunsch nach Open Source. Es braucht eine Strategie, die diesen Anspruch erfüllt – mit klaren Verantwortlichkeiten, konkreten Zielen und der Bereitschaft, veraltete Strukturen zu hinterfragen und zu ändern. Dazu gehört auch ein neuer Umgang mit öffentlichen Investitionen. Wenn Steuergelder in digitale Infrastruktur fließen, darf der Nutzen nicht bei einzelnen Anbietern enden – sondern muss der gesamten Gesellschaft zu Gute kommen. Immer wieder fließen erhebliche Summen in proprietäre Softwarelösungen, deren Quellcode nicht einsehbar ist und deren Weiterentwicklung in den Händen Weniger liegt.
Das muss sich ändern: Software, die mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, sollte offen zugänglich, überprüfbar und wiederverwendbar sein. Nur so lassen sich Transparenz, Kontrolle und nachhaltige Wertschöpfung sicherstellen. Public Money – Public Code ist keine Idealvorstellung – es sollte zum Leitprinzip werden.
Der Koalitionsvertrag erklärt Digitalpolitik zur Macht-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – mit dem Ziel, ein digital souveränes Deutschland zu schaffen. Genannt werden offene Standards, ein strategisch ausgerichtetes IT-Budget und ambitionierte Ziele für Open Source. Doch genau diese Ambition muss sich jetzt in klaren Zuständigkeiten, verbindlichen Budgets und greifbaren Lösungen in Bund, Ländern und Kommunen zeigen – sonst bleibt sie ein politisches Signal ohne Wirkung.
Die politische Notwendigkeit ist längst erkannt – doch der Handlungsdruck wächst. Der jüngste Machtwechsel in den USA zeigt, wie schnell rechtliche Grundlagen ins Wanken geraten. Digitale Souveränität darf daher nicht als Ziel von morgen betrachtet werden, sondern als Aufgabe von heute. Wer jetzt nicht handelt, riskiert, neue Abhängigkeiten einzugehen, bevor Alte überwunden sind.
Zukunftsfähige Digitalisierung braucht Lösungen, die nicht nur technologisch überzeugen, sondern auch den regulatorischen Anforderungen gerecht werden und langfristig tragfähig sind. Genau solche Angebote existieren längst – entwickelt und betrieben unter europäischer Kontrolle, mit Fokus auf Sicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit.
Ein Beispiel dafür ist die Heinlein Gruppe mit ihren Plattformen mailbox.org (sichere E-Mail), OpenTalk (datenschutzkonforme Videokonferenzen) und OpenCloud (Filesharing & Teamarbeit). Gemeinsam bilden sie ein vollständiges Ökosystem für souveräne digitale Kommunikation – DSGVO-konform, modular einsetzbar und unabhängig von US-Infrastrukturen.
Zentralisierte IT-Großprojekte haben in der Vergangenheit oft mehr Komplexität als Fortschritt erzeugt – und dabei neue Abhängigkeiten geschaffen. Statt auf wenige teure Lösungen zu setzen, braucht es dezentrale, modulare Infrastrukturen, die flexibel anpassbar und europäisch betreibbar sind. Nur so lassen sich digitale Resilienz und politische Gestaltungsfreiheit wirklich sichern.
Digitale Souveränität entsteht nicht nur durch Gesetze oder Strategiepapiere, sondern durch konkrete Technologien, die im Alltag funktionieren – zuverlässig, transparent und unter europäischer Kontrolle.
Mit OpenCloud steht eine Plattform zur Verfügung, die zeigt, wie digitale Zusammenarbeit auf Basis von Open Source und europäischen Datenschutzstandards bereits heute möglich ist. Funktionen wie gemeinsame Dateiräume, differenzierbare Zugriffsrechte, integrierte Web-Office-Anwendungen und eine intelligente Suchfunktion ermöglichen eine effiziente Arbeitsumgebung – ohne Abhängigkeit von nicht-europäischen Infrastrukturen.
Der Koalitionsvertrag formuliert mit dem „Deutschland-Stack“ und der „Deutschen Verwaltungscloud“ ein ambitioniertes Ziel: interoperabel, souverän und ausschließlich mit vertrauenswürdigen Anbietern. OpenCloud zeigt, dass diese Vision bereits realisierbar ist – doch es braucht die Bereitschaft, verfügbare Lösungen auch gezielt einzusetzen.
Es geht nicht nur um Technologie, sondern auch um gesellschaftliche Handlungsfähigkeit. Digitale Souveränität betrifft kommunale Verwaltungen genauso wie Schulen, gemeinnützige Organisationen oder Unternehmen. Souveräne Infrastrukturen schützen nicht nur sensible Daten – sie stärken auch demokratische Prozesse, wirtschaftliche Unabhängigkeit und das Vertrauen in staatliches Handeln.
Der Koalitionsvertrag hat das richtige Ziel benannt: ein digital souveränes Deutschland auf Basis offener, nachvollziehbarer Technologien. Doch zwischen Anspruch und Realität liegt die eigentliche Herausforderung. Jetzt ist der Moment, in dem aus Ankündigungen konkrete Weichenstellungen werden müssen – in der Beschaffung, in der Infrastrukturpolitik und in der Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern.
Die Lösungen sind da. Es fehlt nicht an Technologie, sondern an strategischer Verbindlichkeit in Gesetzgebung und Beschaffungspraxis. Digitale Souveränität bedeutet, Kontrolle über zentrale Ressourcen zurückzugewinnen. Wer heute in offene Systeme investiert, legt das Fundament für eine digitale Zukunft, die sicher, demokratisch und unabhängig ist.
Der Wandel beginnt mit den Entscheidungen, die heute getroffen werden.